Dem Klimawandel wirksam begegnen

Steigende Temperaturen und knappe Wasserressourcen zählen zu den größten Herausforderungen der Zukunft im Getreidebau. Züchter sind gefordert, an verschiedenen Schrauben zu drehen, um entsprechend angepasste Sorten zu entwickeln.

Wiewohl Prognosen zum Klimawandel immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind, müssen wir uns auf eine Bandbreite von Änderungen für den Getreidebau einstellen.

  • Veränderungen der Wetterverhältnisse im Winter: Wir beobachten schon jetzt deutlich mildere Temperaturen in der winterlichen Vegetationsruhe. Das ermöglicht einerseits ein früher einsetzendes Wachstum im Frühjahr und Wachstumphasen in der vermeintlichen Vegetationsruhe. Andererseits werden dadurch auch einige Krankheiten wie Gelbverzwergungsvirus oder Gelbrost häufiger auftreten.
  • Anstieg der Temperaturen in den Hauptvegetationsphasen im Frühjahr und Frühsommer: Über diesen Anstieg gibt es relativ sichere Prognosen, die Auswirkungen auf das Wachstum und die Ertragsbildung von Getreide sind mitunter beträchtlich.
  • Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit: Einerseits betrifft das die Niederschläge, die tendenziell geringer ausfallen werden. Bedeutsamer ist aber der Trend, dass diese unregelmäßiger werden. Längere Trockenperioden und stärkere einzelne Niederschlagsereignisse wechseln einander ab. Der zweite Faktor ist die höhere Verdunstung durch die steigenden Temperaturen. In Summe wird damit das Wasser knapper. Gegenstrategien zur Erhaltung des pflanzenverfügbaren Bodenwassers und dessen effiziente Nutzung werden damit zur Basis eines profitablen Pflanzenbaus.

Indirekte Zuchtziele

Verringerte Bodenbearbeitung bis hin zu Minimalbodenbearbeitung gehört mit Sicherheit zu den wichtigsten Maßnahmen, um das knappe und unregelmäßig nachgelieferte Wasser sparsam zu nutzen. Sorten müssen daran angepasst werden. Dazu gehören eine rasche Jugendentwicklung und eine gute Bestockungsfähigkeit. Auf den kälteren Böden entwickeln sich die Pflanzen im Frühjahr so besser, decken den Boden rascher ab und unterdrücken auch Unkräuter effizienter. Veränderte pflanzenbauliche Praktiken wie der Herbstanbau von Sommergerste gehören ebenso zu den Maßnahmen. Krankheiten werden durch den Klimawandel nicht verschwinden, Auftreten und Häufigkeit werden sich aber verändern. Durch eine verringerte Bodenbearbeitung und mildere Winter werden bestimmte Krankheiten wie DTR, Septoria oder einige Getreidevirosen häufiger auftreten. Warm-feuchtes Wetter kann zudem zu höherem Infektionsdruck bei Fusarium führen. Eine Anpassung an den Klimawandel bedeutet daher auch, diese indirekten Zuchtziele zu verfolgen.

Morphologische Zuchtziele

Die offensichtlichste Methode, um hohen Temperaturen auszuweichen, ist die Entwicklung von frühreiferen Sorten. Das ist eine relativ einfache und auch wirksame Maßnahme. Gerade in der Kornbildung auftretende höhere Temperaturen wirken sich negativ auf den Ertrag aus. Frühreife Sorten wie die Qualitätsweizen AXARO, IZALCO CS und ENERGO zeigen hier ihre Vorzüge. Bei Braugerste wirkt sich die Kornausbildung nicht nur auf den Ertrag, sondern über die Sortierung auch auf die Bezahlung der Ernteware aus. Die frühreife Winterbraugerste KWS AMARIS ist hier eine Neuentwicklung, die mit sehr guter Kornqualität punktet. Frühreife hat allerdings auch eine Kehrseite. Als alleinige Maßnahme ist sie nicht ausreichend. Unter günstigeren Wachstumsbedingungen kann Frühreife auch zu einer Begrenzung des Ertragspotenzials führen. Die Begrannung bei Weizen hat keinen bedeutenden Einfluss auf die Trockenheits- oder Hitzetoleranz.

Physiologische Zuchtziele

Auch wenn man die Ertragsphysiologie von Getreide nicht grundlegend ändern kann, so sind trotzdem auch auf diesem Gebiet bedeutende Verbesserungen möglich. Das Problem ist eher, dass bisher die Messung solcher Merkmale in einer großen Anzahl von Zuchtlinien praktisch unmöglich war. Mit neuen Sensortechniken und genomischen Analysen eröffnet sich gerade ein spannendes neues Arbeitsfeld. Die Saatzucht Edelhof investiert zum Beispiel aktuell in ein Projekt, das darauf abzielt, diese Techniken für die Entwicklung neuer trockenheitstoleranterer Sorten zu kombinieren. Das Projekt WheatVIZ wird vom Austrian Institute of Technology (AIT) geleitet und vom Land Niederösterreich im Rahmen der Forschungs- und Innovationsinitiative „d4agrotech“ gefördert. Sämtliche Faktoren hängen zusammen und beeinflussen einander. Es gibt daher keine einzelne Gegenmaßnahme, sondern nur ein System aus pflanzenbaulichen und züchterischen Maßnahmen, mit dem wir den Auswirkungen des Klimawandels wirksam begegnen können.

DI Philipp Karoshi, DIE SAAT Sortenentwicklung Getreide