Weizen und Gerste – Eine Frage der Sortenwahl

Niederschlagsreicher und kühler als zuletzt gestaltete sich das heurige Frühjahr. Im Getreideanbau konnten daher v.a. standfeste und krankheitstolerante Sorten ihre Stärken ausspielen.

Das Getreidejahr 2023 unterschied sich durch einige Besonderheiten von den Vorjahren. Auf einen trockenen März folgte ein ungewöhnlich niederschlagsstarker und sonnenarmer April. Zugleich blieben die Temperaturen unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Auch Spätfröste traten auf. Im Mai fielen die Niederschläge weiter überdurchschnittlich aus, allerdings bei höheren Temperaturen. Hitzewellen mit 30 °C oder mehr blieben aber aus. In weiten Teilen Oberösterreichs entwickelte sich der Juni zunehmend trocken, die Trockengebiete konnten aber noch von den Niederschlägen im April und Mai profitieren.

Standfeste Sorten im Vorteil

Die Bedingungen spiegeln sich in der Entwicklung der Bestände und den Ernteergebnissen wider. So konnte die Wintergerste aufgrund des knappen Wassers den März nicht optimal nutzen. Die Bestände begannen erst mit den Niederschlägen im April stärker zu wachsen und kamen ins Schossen, als die Nachttemperaturen sehr kühl – zum Teil auch wieder frostig – waren. Nachdem sich der Einsatz von Wachstumsreglern unter solchen Bedingungen schwierig gestaltet, empfiehlt sich die Verwendung von Sorten, die eine gute Standfestigkeit haben. Bei den zweizeiligen Futtergersten sind das die Sorten BORDEAUX und SANDRA. Ihre Standfestigkeit erlaubt es, die Anwendung von Wachstumsreglern bei Bedarf nach hinten zu verschieben, ohne an Produktivität einzubüßen. Bei den mehrzeiligen Wintergersten zeichnet sich SU JULE durch eine sehr hohe Standfestigkeit bei mittlerem Wuchs und eine gute Strohstabilität bis zur Ernte aus. Besonders auffällig ist die frühreife BYDV-tolerante LG ZEBRA. Sie ist sehr kurz im Wuchs und ebenfalls überaus standfest. Der Einsatz von Wachstumsreglern ist bei LG Zebra in den meisten Fällen nicht notwendig. Als entscheidend für den weiteren Ertragsaufbau erwies sich 2023 die Gesunderhaltung der Blattetagen bis zum Ende der Einkörnung. Hauptkrankheiten waren in diesem Jahr Rhynchosporium auf feucht-kühlen Standorten, Netzflecken und Ramularia, wobei in letzterem Fall die Bandbreite der Sortentoleranz geringer ausfällt. Sorten mit einer besseren Toleranz unterstützen aber die Pflanzenschutzmaßnahmen mit den vorhandenen Wirkstoffen. RGT MELA ist eine neue, sehr leistungsfähige Sorte mit einer außergewöhnlich guten Kombination von Krankheitstoleranzen. Gegenüber Ramularia wurde sie von der AGES mit der besten Note APS 5 eingestuft.

VITALITÄT
Geringere Saatstärken schlagen sich nicht selten in gesünderen Beständen nieder.

WITTERUNG
Die Verteilung der Niederschläge in der Schossphase war für den Weizen günstiger als für Gerste.

Einkörnung unter Stressbedingungen

Die Ertragsergebnisse bei der Wintergerste blieben in vielen Regionen hinter den hohen Erwartungen zurück. Die vergleichsweise geringen Hektolitergewichte legen nahe, dass die Einkörnung vor dem Hintergrund des Krankheitsdrucks und der Witterung unter Stress stattfand. Sorten, die schon mehrjährig hohe Hektolitergewichte und Sortierungen zeigten, kamen mit diesen Bedingungen besser zurecht. Unter den zweizeiligen Wintergersten trifft das etwa auf die altbewährte Sorte SANDRA zu. Eine ähnlich hohe Kornqualität weist ARTHENE auf, die sich außerdem durch hohe Erträge auszeichnet. Gleichermaßen erzielten die mehrzeiligen Wintergersten SU Jule und RGT Mela 2023 überdurchschnittliche Hektolitergewichte und Sortierungen. Die mehrzeilige Hybridgerste Toreroo überzeugte auch heuer wieder v.a. auf intensiv mit Gülle gedüngten Standorten. Angesichts der besonders guten Bestockungsfähigkeit von TORERRO kann die Saatstärke mit lediglich 140 bis 170 keimfähige Körner/m2 bemessen werden. Vereinzelt traten im Herbst 2022 Infektionen mit dem Gelbverzwergungsvirus (BYDV) auf. Mit LG Zebra und der Bio-Wintergerste MILENA stehen jetzt BYDV-tolerante Sorten zur Verfügung, die auch in den anderen Eigenschaften ähnliche Leistungen wie konventionelle Sorten bringen. In gefährdeten Lagen und bei frühem Anbau bieten sie einen wirksamen Schutz, der über die gesamte Vegetationsperiode hinweg anhält.

Gelbrost-Toleranz gefragt

Deutlich günstigere Niederschlagsbedingungen in der Schossphase fand der Weizen vor. Dementsprechend galt es, das Ertragspotenzial gegen Lagerprobleme und Krankheiten abzusichern. Als standfeste Qualitätsweizen haben sich dabei BERNSTEIN, IZALCO CS und der neue EKONOM bewährt. Bei den Mahl- und Futterweizen sind es SPONTAN, WPB CALGARY, CAMPESINO und ERNESTUS, die durch eine hohe Standfestigkeit überzeugen. Mit Blick auf Blattkrankheiten beschäftigte v.a. das Auftreten des Gelbrosts Pflanzenzüchter und Landwirte gleichermaßen. Etwas später als in den Vorjahren, aber umso intensiver, trat der Erreger ab Ende April verbreitet auf. Gelbrost kann in mehreren Infektionswellen immer neue Blattetagen infizieren, was zu massiven Ertragsreduktionen führt. Das erfordert eine rasche und oft auch mehrmalige Bekämpfung, zumal auch neue Pilzrassen zu beobachten waren, die bisher gut tolerante Sorten stärker infizierten. Anfälliger als in den Vorjahren zeigten sich die Qualitätsweizen ENERGO, AXARO, der Mahlweizen ASORY und der Ertragsweizen Campesino, wobei Energo und Axaro nach wie vor als mittelgut tolerant eingestuft werden können. Die beiden EU-Sorten Asory und Campesino sind hingegen deutlich anfälliger. Um das Ertragspotenzial ausschöpfen zu können, ist in beiden Fällen verstärkt auf Gelbrost zu achten und rasch zu reagieren. Bernstein, Izalco CS, Ekonom, LENNOX, Spontan und WPB Calgary sowie der neue Mahlweizen Ernestus konnten ihre sehr gute Gelbrosttoleranz erfolgreich verteidigen. Das Auftreten von Septoria tritici wurde durch die langen feucht kühlen Bedingungen im April gefördert, wobei die Krankheit auch in Trockengebieten anzutreffen war. Besonders bei Bernstein und Axaro ist in solchen Fällen auf eine zeitgerechte Bekämpfung zu achten. Ekonom und der frühreife Izalco CS fielen auch heuer durch ihre vergleichsweise gute Sortentoleranz sehr positiv auf. Feucht-warme Bedingungen zur Zeit der Weizenblüte schufen gute Infektionsbedingungen für Fusarium. Auch hier zeigten sich gerade im Trockengebiet deutlich bessere Bedingungen als gewöhnlich. Fusarium infiziert die Weizenähre in einem eingeschränkten Zeitraum um die Blüte. Gegen die Krankheit stehen hoch wirksame Pflanzenschutzmittel zur Verfügung, die in genau in diesem engen Infektionszeitraum appliziert werden müssen. Zusätzlich ist auch bei Fusarium die Kombination mit guten Sortentoleranzen wichtig. Besonders bewährt haben sich hier Spontan, Asory, Ernestus, Bernstein, Ekonom, Energo und Izalco CS.

Standortgerechte Düngung

Infolge der vielerorts sehr hohen Erträge bei Winterweizen zeigte das Erntegut häufig geringe Proteinwerte, da sich der vorhandene Stickstoff (N) auf die erhöhte Erntemenge entsprechend verteilte. Bei einem Kornertrag von 6t/ha müssen etwa 130kg Stickstoff/ha durch die Pflanzen aufgenommen werden, um einen Proteingehalt von 14% im Korn zu erreichen. Bei 7t/ha Kornertrag sind es bereits etwa 150kg Stickstoff. Dabei entspricht der im Boden vorhandene, pflanzenverfügbare Stickstoff nicht immer jener Menge N, die gedüngt wurde. Stickstoff kann etwa durch hohe Mengen an Ernterückständen (z.B. Mais- oder Getreidestroh) der Vorfrucht gebunden werden, da diese ein sehr weites Kohlenstoff Stickstoff-Verhältnis aufweisen und für die Verrottung Stickstoff benötigen. Andere Kulturen wiederum, wie Leguminosen oder Kürbis, hinterlassen Stickstoff im Boden, was sich in der Regel positiv auf den Proteingehalt des Weizens als Folgekultur auswirkt. Die Kunst besteht nun darin, die Stickstoffdüngung an die jeweils vorherrschenden Bedingungen zu adaptieren. Eine Auswaschung von Nitrat aus dem Wurzelraum während der Vegetationszeit im Frühjahr und Sommer tritt nur unter außergewöhnlichen Bedingungen, wie z.B. auf flachgründigen, sandigen Böden in Verbindung mit Extremniederschlägen auf.

Vitalität durch geringe Saatstärken

In der Bestandesführung von Wintergerste und Winterweizen zeigten sich auch 2023 wieder die Vorteile geringerer Saatstärken. Die warme Herbstwitterung und der frühe Vegetationsstart im Frühjahr erlaubten eine gute Bestockung. In eigenen Saatstärkenversuchen erreichten Spontan, Ernestus, Axaro und Ekonom mit Saatstärken zwischen 220 und 350 Körner/m2 nahezu dieselben Ährendichten. Die dünner gesäten Bestände sind zudem oft standfester und gesünder. Bei guter Technik und Bestandesführung sowie der Verwendung von Z-Saatgut können bei Winterweizen und zweizeiliger Wintergerste 280 bis 310 Körner/m2 empfohlen werden. Bei mehrzeiliger Wintergerste sind 240 bis 280 bzw. bei Hybridgerste 140 bis 170 Körner/m2 für den Aufbau vitaler und ertragsstarker Bestände sinnvoll. Erfahrungen aus einzelnen Jahren sind wertvolle Entscheidungshilfen und bilden in Kombination mit mehrjährigen Erfahrungen sowie Prüfungsergebnissen die Basis für eine erfolgreiche Sortenwahl und Bestandesführung.

Philipp Karoshi, RWA Saatgut

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